Die Benutzung dieses Zeichens birgt nämlich die Gefahr, dass die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke VIAGRA in unlauterer Weise ausgenutzt wird.
Nach der Verordnung über die Gemeinschaftsmarke kann die Eintragung einer Marke aus bestimmten, ausdrücklich aufgeführten Gründen abgelehnt werden. Marken sind insbesondere dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sie mit einer älteren Marke identisch oder dieser ähnlich sind oder – falls die ältere Marke in der Gemeinschaft bekannt ist – die Benutzung der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung dieser älteren bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde.
Im Oktober 2005 meldete das polnische Unternehmen Viaguara SA beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) das Wortzeichen VIAGUARA als Gemeinschaftsmarke u. a. für „Energydrinks“ und alkoholische Getränke an.
Die amerikanische Gesellschaft Pfizer Inc. als Inhaberin der älteren Gemeinschaftswortmarke VIAGRA (eingetragen u. a. für Arzneimittel zur Behandlung von Erektionsstörungen) erhob gegen diese Anmeldung Widerspruch. Aufgrund dieses Widerspruchs lehnte das HABM es ab, VIAGUARA als Gemeinschaftsmarke einzutragen.
Die Viaguara SA hat hiergegen Klage erhoben und beantragt, diese Entscheidung aufzuheben.
In seinem heutigen Urteil weist das Gericht diese Klage ab und bestätigt die Entscheidung des HABM.
Zu der Voraussetzung, dass die ältere Marke in der Gemeinschaft bekannt sein muss, führt das Gericht aus, das HABM habe zu Recht festgestellt, dass sich die Bekanntheit der Marke VIAGRA nicht nur auf die Verbraucher der betreffenden Arzneimittel, sondern auch auf die Gesamtbevölkerung erstrecke.
Das Gericht prüft sodann die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen. Es betont in diesem Zusammenhang, dass der Verbraucher bei Wortmarken dem ersten Teil des Wortes im Allgemeinen mehr Aufmerksamkeit widmet. Daher schafft das Vorhandensein derselben Wurzel „Viag“ bei den einander gegenüberstehenden Zeichen eine starke schriftbildliche Ähnlichkeit, die durch die den beiden Zeichen gemeinsame Endsilbe „ra“ noch verstärkt wird. Zudem weisen die Zeichen in klanglicher Hinsicht eine erhebliche Ähnlichkeit auf, und es gibt kein Merkmal, anhand dessen sie sich in begrifflicher Hinsicht unterscheiden lassen. Nach Auffassung des Gerichts weisen die einander gegenüberstehenden Zeichen daher eine insgesamt starke Ähnlichkeit auf.
Auch wenn zwischen den von den Marken erfassten Waren, die einander nicht ähnlich sind, kein unmittelbarer Zusammenhang feststellbar ist, erscheint es in Anbetracht der großen Ähnlichkeit der Zeichen und des sehr hohen Bekanntheitsgrads der älteren Marke, der über die von den betreffenden Arzneimitteln angesprochenen Verkehrskreise hinausgeht, gleichwohl möglich, dass die angemeldete Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde. Selbst wenn man annimmt, dass die von den Zeichen angesprochenen Verkehrskreise wegen der Unterschiedlichkeit der jeweiligen Produkte nicht völlig deckungsgleich sind, ist davon auszugehen, dass die beiden Marken miteinander in Zusammenhang gebracht würden.
Das Gericht hat schließlich die Voraussetzung erörtert, wonach die Gefahr bestehen muss, dass die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke Viagra in unlauterer Weise ausgenutzt wird. Dabei geht es um die Gefahr, dass das Image der bekannten Marke oder die durch sie vermittelten Merkmale auf die mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten Waren übertragen werden, so dass deren Vermarktung durch diese gedankliche Verbindung mit der älteren bekannten Marke erleichtert wird. Auch wenn die betreffenden nichtalkoholischen Getränke tatsächlich nicht die gleichen positiven Wirkungen wie die zur Behandlung von Erektionsstörungen bestimmten Arzneimittel haben, kann der Verbraucher zu ihrem Kauf in dem Glauben neigen, in ihnen ähnliche Eigenschaften, wie die Herbeiführung einer gesteigerten Libido, vorzufinden, weil er die durch das Image der älteren Marke vermittelten positiven Assoziationen auf die Anmeldemarke überträgt. Im Übrigen ist zu den von der Viaguara SA hergestellten alkoholischen Getränken, die Guaraná enthalten, festzustellen, dass die Klägerin selbst angegeben hat, dass diese Getränke weitere, Psyche und Körper stärkende und stimulierende Wirkungen sowie gesundheitsfördernde Eigenschaften hätten, die denen eines Arzneimittels ähnelten.
Das Gericht führt in diesem Zusammenhang aus, dass die Produkte der Marke Viagra zwar Arzneimittel sind, die zur Behandlung von Erektionsstörungen verwendet und lediglich auf Rezept abgegeben werden, dass sie aber dennoch nicht notwendig auf die Behandlung einer schweren Krankheit hinweisen, sondern ein Bild von Lebenskraft und Potenz vermitteln, da sie es von Erektionsstörungen betroffenen Personen ermöglichen, ihr Sexualleben und ihre Lebensqualität zu verbessern, wobei die gedankliche Assoziierung eines solchen Images mit der Arzneimitteln innewohnenden „Ernsthaftigkeit“ nicht unvereinbar ist. Da die betreffenden Arzneimittel in jüngeren Altersgruppen der Bevölkerung auch zu „rekreativen Zwecken“ Verwendung finden, könnte dieses Image auch auf andere Erzeugnisse als Arzneimittel und insbesondere auf die alkoholischen Getränke der angemeldeten Marke übertragen werden, die zwar anderer Art sind, aber etwa beim Ausgehen oder Feiern konsumiert werden.
Das Gericht gelangt zu dem Ergebnis, dass die Viaguara SA mit der Benutzung einer Marke, die der älteren bekannten Marke ähnlich ist, den Versuch unternimmt, sich in den kommerziellen Wirkungsradius dieser Marke zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen zu profitieren, und ohne finanzielle Gegenleistung die wirtschaftlichen Anstrengungen der Inhaberin der älteren Marke zur Schaffung und Aufrechterhaltung des Images dieser Marke ausnutzt, um ihre eigenen Erzeugnisse zu bewerben. Daher ist der sich aus dieser Benutzung ergebende Vorteil als unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der Marke Viagra anzusehen.
HINWEIS: Gegen die Entscheidung des Gerichts kann innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt werden.
HINWEIS: Die Gemeinschaftsmarke gilt in der gesamten Europäischen Union und besteht neben den nationalen Marken. Gemeinschaftsmarken werden beim HABM angemeldet. Dessen Entscheidungen können beim Gericht angefochten werden.
Urteil in der Rechtssache T-332/10
Viaguara SA / HABM
Quelle: PRESSEMITTEILUNG des Gerichts der Europäischen Union Nr. 3/12 vom 25.01.2012