Der Kläger macht im vorliegenden Fall einen Anspruch auf Unterlassung unwahrer Äußerungen geltend, die Teil eines Beitrags waren, der ab 12. Juni 2007 im Internet abrufbar war. Die Beklagte verlegt das Nachrichtenmagazin „Focus“. Sie ist als Inhaber der Domain „focus.de“ eingetragen, welche die Tomorrow Focus AG gepachtet hat. Deren Website mit dem Nachrichtendienst „Focus online“ ist unter der Adresse http://www.focus.de erreichbar.
Im Impressum dieser Internetseite heißt es: „FOCUS ONLINE ist ein Angebot der TOMORROW FOCUS AG, Geschäftsbereich Portal. Für die Seiten des FOCUS-Magazins (http://focus.de/magazin mit allen Unterseiten) ist Diensteanbieter jedoch die FOCUS Magazin Verlag GmbH“. Artikel, die in dem genannten Magazin erscheinen, sind unter www.focus.de/magazin abrufbar.
Der Artikel, der Gegenstand der Klage ist, wurde von einer Journalistin verfasst, die bei dem von der Beklagten verlegten Magazin tätig ist. Er stand jedoch nicht in dem Magazin und wurde nicht unter www.focus.de/magazin, sondern im Online-Nachrichtendienst der Tomorrow Focus AG veröffentlicht.
Die Beklagte erlangte durch Abmahnschreiben des Klägers vom 24. und 27. August 2007 Kenntnis von dem Beitrag. Sie leitete die Schreiben an die Tomorrow Focus AG weiter. Diese löschte den Beitrag und gab eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, was die Beklagte verweigerte.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie abgewiesen und die Revision zugelassen, mit der der Kläger weiterhin die Verurteilung der Beklagten erstrebt.
Die Entscheidung des BGH
Der BGH hat die Klage abgewiesen und eine (Störer-)haftung der Beklagten abgelehnt:
„Der Beklagten ist als Domainverpächterin nicht zuzumuten, die Website ihres Pächters allgemein dahingehend zu prüfen, ob sie Äußerungen enthält, die das Persönlichkeitsrecht anderer verletzen. Demgemäß trifft den (bloßen) Inhaber der Domain grundsätzlich keine Haftung für Rechtsverletzungen, die durch den Inhalt der Website begangen werden (ebenso OGH, MMR 2006, 669 f.).“
und weiter…
„Für die Unzumutbarkeit spricht hier die Anzahl der zu überprüfenden Beiträge, die bei einem umfangreichen Nachrichtendienst wie „Focus Online“ beträchtlich ist. Zudem werden die Beiträge im Gegensatz zu Printpublikationen ständig („in Echtzeit“) aktualisiert, so dass schon deswegen keine gleich wirksamen Überprüfungen erfolgen können (vgl. Spindler/Weber, aaO, § 1004 BGB Rn. 9). Zwar können, worauf die Revision abstellt, einen Verleger als „Herr der Zeitung“ (Senat, BGHZ 39, 124, 129; Urteile vom 4. Juni 1974 – VI ZR 68/73 – VersR 1974, 1080; vom 27. Mai 1986 – VI ZR 169/85 – aaO, 1076) oder einen Rundfunkveranstalter als „Herr der Sendung“ (Senat, BGHZ 66, 182, 187) allgemeine Prüfungspflichten treffen (vgl. Senat, Urteile vom 19. März 1957 – VI ZR 263/55 – NJW 1957, 1149, 1150; vom 8. Juli 1980 – VI ZR 158/78 – GRUR 1980, 1099, 1104). Da er die Herstellung und Verbreitung redaktioneller Beiträge mit sachlichen und persönlichen Mitteln ermöglicht, soll er als wirtschaftlicher Träger das Haftungsrisiko tragen (Soehring, Presserecht, 3. Aufl., Rn. 28.2; v. Hutten, aaO, § 47 Rn. 21). Deshalb bestehen für ihn auch Prüfungspflichten, allerdings in reduzierter Form, wenn es um „fremde“ Inhalte geht (vgl. Senat, BGHZ 59, 76, 80; Urteil vom 27. Mai 1986 – VI ZR 169/85 – aaO, 1077).
Die Beklagte hatte aber allein durch die Verpachtung der Domain nicht die Stellung eines Verlegers inne. Es ist nicht ersichtlich, dass sie auch „Herr des Angebots“ von „Focus online“ war, und die vom Berufungsgericht festgestellte „gemeinsame Konzernstruktur“ – die Beklagte und die Tomorrow Focus AG gehören jeweils der Hubert Burda Media Holding GmbH & Co KG an – der Verschiebung oder Verschleierung von Verantwortlichkeiten diente.
Entgegen der Auffassung der Revision entstand auch nicht der Anschein, die Beklagte sei „Herr des Angebots“. Dagegen spricht das Impressum des elektronischen Informationsdienstes (vgl. § 5 TMG), in dem es im August 2007 hieß: „Focus online ist ein Angebot der Tomorrow Focus AG, Geschäftsbereich Portal. Für die Seiten des Focus-Magazins (http://focus.de/magazin mit allen Unterseiten) ist Diensteanbieter jedoch „. Dies gilt umso mehr, weil anschließend die Tomorrow Focus AG nochmals als „Anbieter des Gesamtangebots außer http://focus.de/magazin mit Unterseiten“ und die Beklagte als „Anbieter für die Seiten unter http://focus.de/magazin“ bezeichnet wurde. Dadurch entsteht bei Beiträgen, die wie hier nicht unter http://focus.de/magazin abrufbar waren, nicht der Anschein, die Beklagte sei „Herr des Angebots“. Dies gilt auch, soweit die Revision darauf verweist, dass der Name des von der Beklagten verlegten Nachrichtenmagazins („Focus“) teilweise mit dem des über die URL www.focus.de erreichbaren Online-Nachrichtendienstes („Focus online“) übereinstimmt und die URL auf dem Titelblatt des Nachrichtenmagazins genannt wird. Daran ändert nichts, dass im Impressum des Jahres 2006 als Diensteanbieter allein die Tomorrow Focus AG und im Impressum des Jahres 2007 mit dem Zusatz „Copyright © 2007 by Focus Online GmbH“ noch eine dritte juristische Person genannt wurde. Schließlich führt auch der Umstand nicht zu einer Haftung, dass der Beitrag von einer bei der Beklagten angestellten Autorin stammte, die im Beitrag als „Focus-Redakteurin“ bezeichnet und im Impressum des Nachrichtenmagazins, nicht aber im „Impressum Focus online“ aufgeführt war. Die Beklagte haftet grundsätzlich nicht für Beiträge, die ihre Autoren außerhalb des von ihr verlegten Nachrichtenmagazins veröffentlichen.“
Nach Kenntnis der Rechtsverletzung besteht umgehende Prüfungspflicht
„Der Beklagten war allerdings zuzumuten, die Website ihres Pächters zu prüfen, als sie von den konkreten Äußerungen, die das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers beeinträchtigten, Kenntnis erlangte. Insoweit sind – jedenfalls wenn wie hier die Äußerungen unstreitig unwahr waren – keine aufwändigen Nachforschungen erforderlich (vgl. Senat, Urteil vom 3. Februar 1976 – VI ZR 23/72 – aaO, S. 116; BGH, BGHZ 148, 13, 20; 158, 236, 252; 158, 343, 353; Spindler/Weber, aaO, § 1004 BGB Rn. 9). Das Bestehen einer solchen Prüfungspflicht führt aber nur dann zu einem Unterlassungsanspruch, wenn der Störer nach Kenntniserlangung und Prüfung die Störung nicht unverzüglich beseitigt (vgl. OLG Karlsruhe, WRP 2004, 507, 508; LG Berlin, CR 2007, 742, 743). Das ist hier durch die Löschung des Beitrages jedoch geschehen (anders im dem Senatsurteil vom 27. März 2007 – VI ZR 101/06 – aaO zugrunde liegenden Fall).“
Quelle: Urteil des BGH vom 30. Juni 2009 – VI ZR 210/08